Freitag, 11. Oktober 2024, 11:22 Uhr
Interview zum "Zahlen-Sie-doch-was-Sie-wollen-Tarif"
Im Rahmen seiner Diplomarbeit zum Thema "Musterbrechende Preisgestaltung: Ein Preismodell jenseits der klassischen Lehre - Der Kunde bestimmt den Preis" hat Heinz Sebastian Hintermayr, Student für Wirtschaftsingenieurwesen in Rosenheim, um ein Interview gebeten. Gerne bin ich dem nachgekommen.
Auf meiner Recherche zu diesem Preismodell bin ich auf der Internetseite www.best-practice-business.de auf den Bericht „Zahlen Sie doch was Sie wollen – Kunde legt den Preis fest“ gestoßen, in dem Ihr spezieller Tarif als viertes Beispiel angegeben ist.
Sie bieten Ihren Kunden eine Telefonberatung an, bei welcher diese selbst entscheiden können, wie viel ihnen die Beratung pro Minute Wert ist. Als Referenzpreis haben Sie einen Betrag von 1 Euro(*) pro Minute angegeben.
Auf Ihrer Homepage schreiben Sie, dass Sie Ihren Kunden keine teure 0190-Mehrwert-Nummer zumuten wollen und Ihnen alternative Abrechnungssysteme zu umständlich sind. Wie sind Sie genau auf diese spezielle Art der kundenfreundlichen Abrechnung gekommen?
Die Dienstleistung „Honorarberatung für Immobilienfinanzierungen“ ist in Deutschland leider sehr selten. Verbraucher sind es vielmehr gewohnt, dass Ihnen Finanzberatungen fast an jeder Straßenecke und eigentlich so gut wie immer scheinbar kostenlos angeboten werden. Für diese Dienstleistung nun plötzlich ein direktes Honorar bezahlen zu sollen, klingt in den Ohren vieler potenzieller Kunden deshalb ziemlich exotisch, oft vielleicht auch abschreckend. Da sich die Vorteile der Honorarberatung auch nicht sofort erschließen, ist die Kunden-Gewinnung unter diesen Voraussetzungen natürlich nicht gerade einfach.
Ich habe deshalb nach einer Möglichkeit gesucht, Interessenten ggf. vorhandene Berührungsängste zu nehmen, gleichzeitig aber auch zu verdeutlichen, dass gute Beratung nicht kostenlos angeboten werden kann. Dann hatte ich die Idee mit dem „Zahlen-Sie-doch-was-Sie-wollen-Tarif“. Wichtig ist mir, überhaupt erst mal mit Interessenten ins Gespräch zu kommen. Der Interessent wiederum kann sich ganz ohne Scheu vor einer teuren Beratung darauf einlassen. Letztlich bietet der „Zahlen-Sie-doch-was-Sie-wollen-Tarif“ Berater und Interessenten die Möglichkeit, schnell, unkompliziert und mit offenem Ausgang zusammen zu kommen.
Wie lange bieten Sie diesen speziellen Tarif schon an?
Das Angebot besteht in dieser Form seit ca. zwei Jahren.
Rentiert sich dieser für Sie?
Das denke ich schon, mein Einsatz beschränkt sich ja lediglich auf einen gewissen Zeitaufwand, den ich ggf. nicht oder nur in geringer Höhe honoriert bekomme. Dafür erhalte ich die Möglichkeit, Kunden für mich zu gewinnen, die dann auch gerne eine angemessenes Honorar zahlen. Geschätzt 75% aller Kunden zahlen dann auch ein sehr zufriedenstellendes Honorar.
Wie nehmen Ihre Kunden diesen Dienst an?
Meine Dienstleistung bringt es mit sich, dass ich über kaum Stammkunden verfüge. Ich muss immer wieder Neukunden für mich gewinnen. Da ich mich schon recht stark über das Internet positioniere, kommen naturgemäß auch fast alle Kunden auf dieses Angebot zu sprechen.
Verzeichnen Sie einen Zuwachs an Telefonberatungen, seitdem Sie dieses Preismodell für Ihre Telefonberatung anbieten?
Das ist eindeutig so, ja.
Haben Sie irgendetwas unternommen, damit die Leute auf Ihren „Zahlen Sie doch was Sie wollen“-Tarif aufmerksam werden? Wenn ja, was?
Nein, eine spezielle Werbung gibt es dafür nicht. Nur auf der WebSite selbst wird auffällig darauf hingewiesen.
Was für ein Bild haben Sie von Ihren Kunden? Wollen sie diesen Referenzpreis von einem Euro pro Minute zahlen, oder rufen sie an weil sie nichts zahlen müssen?
Die meisten Interessenten haben aufgrund der Informationen auf der WebSite schon das Vorwissen, dass die Beratung grundsätzlich etwas kostet. Aber sie kennen weder das Modell „Honorarberatung“ noch mich persönlich. Dass sie sich deshalb schwertun, sich zur Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu verpflichten, halte ich für eine ganz normale Reaktion. Immerhin muss berücksichtigt werden, dass die Interessenten sich auf für sie unbekanntes Terrain wagen und nicht genau wissen, welchen Gegenwert sie dafür erhalten werden. Andererseits sind die Anrufer an der Dienstleistung wirklich interessiert - deshalb rufen sie ja auch an. Viele Interessenten sind deshalb etwas unsicher. Eine typische Frage lautet deshalb „... und wenn ich nichts bezahlen möchte, brauche ich das wirklich nicht?“ Die meisten zahlen dann doch.
Um auf Ihre Frage ganz direkt zu antworten: Die meisten Kunden wollen bezahlen, aber sie rufen auch an, weil die Bezahlung eben freiwillig ist.
Was ist ca. der Durchschnittswert den Ihre Kunden bezahlen? Was ist der höchste bzw. niedrigste Betrag welcher bezahlt wurde?
Das ca. 75 % der Kunden bezahlen, habe ich ja schon erwähnt. Häufig zahlen diese Kunden dann auch mehr als den Referenzpreis, sie möchten dann auch großzügig sein. Die Bandbreite der Zahlbeiträge reicht von 2,00 Euro bis mehreren hundert Euro, wobei sich die Zahlungen für einmalige Telefonberatungen oft zwischen 20,00 und 50,00 Euro bewegt. Bei größeren Summen ist es dann aber meistens so, dass eine anfängliche Telefonberatung in eine persönliche Beratung von Angesicht zu Angesicht mit manchmal mehreren Terminen mündet, oder es ist der Gesamtbetrag für mehrere Telefonberatungen. Wird der zeitliche Beratungsaufwand irgendwann zu groß, treffe ich mit den betreffenden Kunden verbindliche Beratungs- und Honorarvereinbarungen. Dass zum Beispiel keine 10 Stunden Beratungs-, Recherche- und Serviceaufwand geleistet werden können, deren Honorierung lediglich auf Freiwilligkeit basiert, versteht jeder Kunde.
Begründen manche Kunden auch den gezahlten Betrag? Wenn ja, welche Angaben machen sie dazu?
Eine explizite Begründung des Zahlbetrages ist selten. Am Ende der Telefonberatung weise ich auf die ungefähre Gesprächsdauer, den Referenzpreis, dass davon nach oben und unten abgewichen werden kann und die Freiwilligkeit der Zahlung hin. Mit diesen Informationen wird das Gespräch beendet. Ich möchte die Interessenten keiner psychologischen Drucksituation aussetzen und so können sie anschließend selbst in Ruhe überlegen, welchen Betrag sie überweisen möchten.
Hat sich das Verhältnis zu Ihren Kunden bzw. die Kundenzufriedenheit verändert?
Nein, ich habe jetzt nur mehr Kunden.
Kann Ihrer Meinung nach, dieses Preismodell auch dazu hergenommen werden, um eine Einschätzung über die Kundenzufriedenheit zu treffen?
Das allerdings glaube ich schon. Die Kunden können frei über die Höhe des Honorars entscheiden, ebenso ob sie überhaupt zahlen wollen. Die Kunden werden in ihrer Entscheidung weder bedrängt oder gar genötigt und auch eine spätere Hinterfragung findet nicht statt. Wer so frei in seinem Willen der Zahlentscheidung ist, wird bestimmt nur zahlen, oft ja sogar mehr als den Referenzpreis, wenn er in hohem Maße zufrieden ist.
Denken Sie, dass es bestimmte Einflussfaktoren gibt, welche den gezahlten Betrag der Kunden erhöhen bzw. vermindern?
Ein Faktor wurde ja gerade schon genannt, die Zufriedenheit mit der Beratungsqualität hat ganz sicher Einfluss auf die Honorarhöhe. Für den Kunden ist der Gegenstand der Beratung, also die Immobilienfinanzierung, aber letztlich wichtiger als die Beratung darüber. Wenn im Rahmen der Beratung – ganz unabhängig von deren Qualität – Aspekte zum Vorschein kommen, die ein Finanzierungsvorhaben positiver oder negativer beeinflussen als vom Kunden gedacht, oder vielleicht sogar unmöglich machen, hat das selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Zahlungsbereitschaft des Kunden. Und dann gibt es natürlich noch die allzu menschlichen Faktoren ... gute Laune, schlechte Laune usw. Ich denke, den größten Einfluss hat die Zufriedenheit mit der Beratungsqualität. Das ist auch der einzige Indikator, der von mir beeinflusst werden kann.
Sie schreiben auf Ihrer Internetseite, dass Ihnen alternative Abrechnungssysteme zu umständlich seien. Welche meinen Sie damit? Und, kann man sagen, dass Sie sich durch dieses Preismodell Zeit bzw. Kosten einsparen?
Ich könnte eine Vorauszahlung per Überweisung verlangen, oder die Abrechnung über Bezahlsysteme wie Paypal usw. Denkbar wäre auch die Schaltung 0190er-Nummern. Aber der Kunde müsste sich zunächst bei diesen Diensten registrieren, in Vorleistung treten und die Kontrolle über Zahlung und Gegenwert zumindest teilweise an diese Abrechnungssysteme deligieren. Hinzu kommen teilweise hohe Transaktionskosten und das schlechte Image bestimmter Bezahlarten (0190-Mehrwert-Nr.). Alle diese Möglichkeiten halte ich für Barrieren auf dem Weg zum zufriedenen Kunden.
Jetzt braucht der Interessent lediglich zum Telefonhörer greifen und einen kostengünstigen Festnetzanschluß anrufen. Nach der Beratung entscheidet er selbst, ob überhaupt und welchen Betrag er ggf. bezahlen möchte. Einfacher, schneller und sicherer geht es für den Interessenten kaum.
Was ist Ihr bisheriges Fazit zum „Zahlen Sie doch was Sie wollen“-Tarif?
Das war eine gute Idee. Ich konnte damit ohne großen Kostenaufwand viele neue Kunden gewinnen. Hinzu kommt der angenehme Nebeneffekt, sich mit unkonventionellen Ideen von der breiten Masse der Mitbewerber absetzen zu können. Genauer gesagt sind die „Honorarberatung für Immobilienfinanzierung“ zum „Zahlen-Sie-doch-was-Sie-wollen-Tarif“ ja schon zwei außergewöhnliche Ideen. Viele Menschen mögen das.
Warum wenden Sie dieses Preismodell „nur“ bei der Telefonberatung an?
Diesen Punkt bedarf einer Überarbeitung in der Darstellung, denn es kommt mir ganz allgemein darauf an, mögliche Berührungsängste der Interessenten zu mildern, unabhängig davon, ob sie sich nun telefonisch, schriftlich oder im direkten Gespräch an mich wenden. Meistens findet der erste Kontakt nebst Beratung jedoch telefonisch statt. Wenn es dabei jedoch lediglich um Terminabsprachen geht, wird natürlich auch die Beratung im Büro zum „Zahlen-Sie-doch-was-Sie-wollen-Tarif“ vereinbart.
Allerdings ist diese Abrechnungsform auf die ersten Beratungsrunden beschränkt. Das hängt mit dem teils der sehr zeit- und damit kostenintensiven Spektrum meiner Dienstleistungen zusammen, die bis zur Komplettabwicklung einer Finanzierung reicht. Hier auf freiwillige Zahlung des Kunden zu setzen, wird der Sache dann nicht mehr gerecht, schließlich setze ich ja auf den mündigen und kritischen Verbraucher, der vom Vorteil einer Honorarberatung überzeugt ist. Wenn es mir in ersten Beratungsgesprächen nicht gelingt, den Interessenten davon zu überzeugen, wird er auch nicht meinen Kunde.
Würden Sie so einen Tarif auch anderen Beratern empfehlen? Oder könnten Sie sich sogar vorstellen, dass dieses Preismodell auch in anderen Bereichen der Wirtschaft funktionieren könnte?
Vorstellbar ist das schon, letztlich muss aber jeder Berater und auch jeder Anbieter seinen eigenen Weg zum Kunden finden. Eine direkte Empfehlung würde ich deshalb nicht aussprechen. Allerdings plädiere ich schon dafür, dass sich eben jeder Anbieter ganz genau überlegt „Was will ich, was passt zu mir, was kann ich Leisten und wie überzeuge ich damit potenzielle Kunden.“ Diese Aufgabenstellung ist selbstredend nicht ganz einfach und deshalb fallen Lösungen auch nicht einfach aus dem Himmel.
(*) Preisangabe zwischenzeitlich auf 2 € angepasst